Es ist schon eine Frechheit und an Arroganz nicht mehr zu überbieten, wenn der amtierende Bürgermeister in aller Öffentlichkeit eine Aussage zum Verschuldungsstand der Stadt Kalkar von mehr als 14 Mio. € als nicht richtig bezeichnet.
Dabei sind diese Zahlen für jedermann öffentlich zugänglich – wenn man weiß, wo sie zu finden sind. Im Vergleich zu anderen Städten bekleckert sich die Stadt Kalkar dabei nicht gerade mit Ruhm, wenn es um die verständliche Darstellung des Haushaltes bzw. der Finanzen geht.
Aber der Reihe nach: Zunächst ein Blick in die Haushaltssatzung für die Jahre 2014 und 2015. Der Entwurf einer Haushaltssatzung wurde erstmalig Ende 2013 in das Ratsportal eingestellt: https://www.kalkar.de/C125757B004FB233/files/haushaltsplan2014_2015.pdf/$file/haushaltsplan2014_2015.pdf?OpenElement
Jeder hat hier die Möglichkeit, sich auf den insgesamt 459 Seiten über die geplanten Einnahmen und Ausgaben der Stadt zu informieren – theoretisch natürlich. Aber nicht jeder Bürger ist ein Haushaltsexperte und die Flut an Informationen sorgt nicht gerade für Transparenz und leichtes Auffinden der benötigten Information.
Aber vom Bürgermeister und der Kalkarer CDU werden im Wahlkampf eher städtische Schulden weggezaubert, anstatt dem Bürger eine offene und ehrliche Erklärung über den aktuellen Stand der Schulden zu geben.
Wenn es um die Höhe der Verschuldung geht, ist die Seite 419 des oben genannten Dokumentes unser Einstiegspunkt. Hier sind die geplanten Werte für 2014 und 2015 aufgeführt. Die Verschuldung des Kernhaushaltes der Stadt setzt sich zusammen aus Investitions- und Liquiditätskrediten. So wurden für 2014 im Kernhaushalt Kredite in Höhe von 13,743 Mio. € eingeplant, für 2015 in Höhe von 13,601 Mio. €. Bei näherer Betrachtung sind diese Zahlen jedoch längst „Schnee von gestern“. Der Nachtragshaushalt 2015 sieht 4 Monate vor Jahresende eine erhebliche Erhöhung der Liquiditätskredite von 6,0 Mio. € auf 8,5 Mio. Euro vor.
Damit die Stadt laufende Ausgaben bezahlen kann, müssen ggf. Liquiditätskredite in Anspruch genommen werden. Das ist zunächst völlig legitim und muss auch von der Kommunalaufsicht genehmigt werden. Diese sogenannten Kassenkredite dienten früher zur kurzfristigen Mittelbeschaffung, um geplante Einnahmen im laufenden Geschäftsjahr vorzufinanzieren. Sie sollten idealerweise zum Ende des Haushaltsjahres wieder zurückgezahlt werden. Dieses Vorgehen hat sich aber in den letzten Jahren aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung der Kommunen und Städte bundesweit drastisch geändert.
Kassenkredite dienen immer häufiger zur Deckung struktureller Einnahmedefizite. Eine besondere Problematik der Kassenkredite: Ihnen stehen keine geschaffenen Werte gegenüber. Durch ihre Kurzfristigkeit beinhalten sie zudem ein erhebliches Risiko bei Zinsschwankungen.
Zurück in die Kommune Kalkar. Wenn der amtierende Bürgermeister und die Spitzen der CDU lautstark verkünden, sie hätten die Altschulden auf 6,9 Mio. € verringert, so ist das bei der ersten Betrachtung korrekt. Der geneigte Bürger findet diese Aufstellung im Haushaltsplan 2014/2015 auf den Seiten 38 und 39. Schauen wir aber genauer hin, bezieht sich die Verringerung der Altschulden nur auf die vor 2014 aufgenommenen Investitionskredite; neu aufgenommene Investitionskredite und insbesondere die Kassenkredite werden hier und in den „Wahlkampf“-Darstellungen der CDU nicht berücksichtigt.
Wir haben uns bei der Betrachtung der Verbindlichkeiten bisher nur auf die Haushaltssatzung als Quelle gestützt. Es gibt aber noch eine weitere Institution, die Informationen zum Schuldenstand bereithält – das statistische Landesamt für NRW, kurz IT.NRW (www.it.nrw.de). Rechtsgrundlage für die hier bereitgestellten statistischen Informationen sind das Finanz- und Personalstatistikgesetz (FPStatG) in Verbindung mit dem Bundesstatistikgesetz (BstatG).
Gemeldet werden müssen die Daten von den entsprechenden Berichtspflichtigen selbst. Also den Kommunen bzw. den kommunalen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (kurz FEU genannt). Bei den veröffentlichten Zahlen handelt es sich also um die von den Kommunen und kommunalen FEU gemeldeten Daten. Übersetzt bedeutet das, dass Verbindlichkeiten der städtischen Betriebe gegenüber Banken und Kreditinstituten mit in die Gesamtstatistik der Stadt eingerechnet werden.
Seit 2007 wird die Schuldenstatistik der Gemeinden, Städte, Kreise und des Landes NRW in Form einer pdf-Datei jährlich bereitgestellt. Die Statistik für 2014 kann z.B. unter folgendem Link heruntergeladen werden:
https://www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2015/pdf/137_15.pdf
ACHTUNG: Die rot markierten Werte „Kassenkredit“ und „in Euro je Einwohner“ stimmen in der Statistik für 2014 für Kalkar nicht. Bei der Auswertung der Statistiken ergab sich eine Diskrepanz zwischen den Daten von IT.NRW und der weiter unten aufgeführten Veröffentlichung in der NRZ. Eine Nachfrage bei und Rückmeldung von IT.NRW ergab, dass seitens der Stadt Kalkar eine um den Faktor 10 zu niedrige Zahl gemeldet wurde. Die korrekte Höhe der Kassenkredite beläuft sich auf 3,69 Mio. € (und nicht auf 0,367 Mio. € !). Damit steigt die Pro Kopf Verschuldung der Kassenkredite auf 269,80 € und die Höhe der Pro Kopf Verschuldung für 2014 auf insgesamt 1262,80 €.
Die „gemeldete“ Verschuldung des Kernhaushaltes liegt damit Ende 2014 erfreulicher Weise unter dem Planansatz (Ist: 11,721 Mio. € gegenüber Plan: 13,743 Mio. €).
Addieren wir jedoch die Werte aus dem Kernhaushalt (Investitions- plus Kassenkredite) und die Kredite der Eigenbetriebe, macht dies zusammen jedoch bereits 17,199 Mio. € Schulden in 2014.
Schauen wir uns nun eine weitere Datenquelle an. Bereits am 29.06.2015 erschien in der NRZ ein Beitrag unter der Überschrift „Kalkars Finanzkrise“.
Hier der Link: http://www.derwesten.de/nrz/staedte/nachrichten-aus-kleve-und-der-region/kalkars-finanzkrise-id10826463.html0 . Leider wurde die sehr aufschlussreiche Grafik nur in der Druckversion und nicht auch im Internet veröffentlicht. Daher hier mit freundlicher Genehmigung der NRZ nun auch die Grafik:
Für die Jahre 2010 bis 2014 sind die Werte – bis auf die bereits geschilderte Diskrepanz – annähernd identisch mit den bereits angesprochenen Statistiken von IT.NRW.
Die Prognose für 2015 zeigt allerdings eine beunruhigende Entwicklung auf. Der steile Anstieg der Kassenkredite und die gleichzeitige Verringerung der Einnahmen durch den Rückgang der Gewerbesteuer lassen die Summe der Kredite im Kernhaushalt auf voraussichtlich ca. 17,5 Mio. Euro und inklusive der Eigenbetriebe für 2015 auf weit mehr als 20 Mio. € ansteigen.
Ein Ausblick auf die Entwicklung der Kassenkredite ist auf Seite 45 der Haushaltssatzung 2014/2015 zu finden. Diese geplanten Werte bleiben langfristig von Jahr zu Jahr auf gleich hohem Niveau, ein kurzfristiger Ausgleich des Kontos ist offensichtlich nicht zu erwarten.
Darüber hinaus bleibt anzumerken, dass in der Statistik von IT.NRW zur Zeit nur die Kredite des Sondervermögens Abwassersammlung der Stadt Kalkar berücksichtigt werden. Die Daten der Eigengesellschaften und der Zweckverbände müssen ebenfalls gemeldet werden, können aufgrund der Komplexität der Daten auf Landesebene derzeit von IT.NRW jedoch nicht in der Statistik bereitgestellt werden.
Für Kalkar werden in der Auswertung daher die Schulden des
- Zweckverbandes Abwasserbehandlungsverband Kalkar-Rees, 59,50% Anteil
und die Verbindlichkeiten der städtischen Eigengesellschaften
- Stadtentwicklungsgesellschaft Kalkar mbH (SEG), 100% Anteil
- Stadtwerke Kalkar GmbH, Tochtergesellschaft der SEG mit 51% Anteil
- Freizeitpark Wisseler See GmbH (FWS), 100% Anteil
noch nicht dokumentiert.
In der Haushaltssatzung 2014/2015 sind ab Seite 424 die Bilanzen des Jahres 2012 zu diesen Gesellschaften abgedruckt. Berücksichtigt man die Kredite dieser Gesellschaften ebenfalls, so erhöht sich der Schuldenberg um weitere ca. 10. Mio. €.
Fazit: Der amtierende Bürgermeister und die CDU sagen nicht die „ganze“ Wahrheit und versuchen, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt durch das Zünden von Nebelkerzen auf eine falsche Spur zu bringen. Das hat 60 Jahre so funktioniert, aber es ist nun an der Zeit, diese Art der gezielten Desinformation – nicht nur in diesem Bereich – zu beenden.
Daher zusammenfassend die grafische Aufbereitung der Schuldenentwicklung der Stadt Kalkar von 1995 bis 2015 gemäß der – für 2014 korrigierten – Angaben von IT.NRW und eine Prognose für 2015 auf der Basis der NRZ-Veröffentlichung in der gleichen Systematik, d.h. – noch – ohne Zweckverband und ohne Eigengesellschaften.
FORUM Kalkar